09.04.2024
Die Konferenz des Forums Mitteleuropa 2024 fand am 9. April im Sächsischen Landtag in Dresden statt. Sie stand unter dem Motto "Mitteleuropäische Perspektiven vor den Europawahlen" und widmete sich den mitteleuropäischen Erwartungen an die Europäische Union ebenso wie den mitteleuropäischen Interessen in Europa.
Das Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag besteht seit über zehn Jahren. Es hat das Ziel, die Beziehungen der Länder Mitteleuropas auf parlamentarischer Ebene zu stärken. Am 9. April 2024 tagte die Konferenz zum dritten Mal seit der Gründung des Forums in Dresden. Das Thema der Veranstaltung lautete: „Mitteleuropäische Perspektiven vor den Europawahlen“. Unter diesem Motto widmete sich die Konferenz sowohl den mitteleuropäischen Erwartungen an due Europäische Union als auch den mitteleuropäischen Interessen in Europa.
Mitteleuropäische Antworten
Die Begrüßungsansprache im Plenarsaal des Sächsischen Landtags hielt der Initiator des Forums, Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler. Mit Blick auf den Ursprungsgedanken des Forums sagte er, dass man gemeinsam nach mitteleuropäischen Antworten auf europäische Fragen suche. Mitteleuropa verstehe er als eine Wertegemeinschaft, die auf einer demokratischen Bürgergesellschaft aufbaue. Die Europäische Union biete ihren Mitgliedsstaaten viele Chancen und habe unbestrittene Erfolge vorzuweisen. Sie dürfe sich allerdings nicht im Mikomanagement verlieren, sondern solle sich am Prinzip der Subsidiarität orientieren. Auch der Ausbau von Forschung und Infrastruktur, die Stärkung des Außenhandels, eine geordnete Migration sowie die Sicherung der EU-Außengrenze müssten zukünftige Schwerpunkte der europäischen Politik sein.
Demokratieentwicklung am Scheideweg
An die Begrüßung des Hausherrn schloss sich der erste Programmteil der Konferenz am Vormittag an. Er stand unter dem Motto „Mitteleuropäische Erwartungen an die Europäische Union.“ Dazu richtete Dr. Othmar Karas, Erster Vizepräsident des Europäischen Parlaments, eine Video-Botschaft an die Zuhörer. Er wies darauf hin, wie wichtig die anstehende Europawahl sein werde. Es gehe darum, ob Europa den Weg der liberalen Demokratie fortsetze oder auf den Pfad der Autokratie gerate. Die Länder Mitteleuropas seien beeindruckende Zeugnisse für das, was demokratische Bestrebungen erreichen könnten.
Der Präsident des Ungarischen Nationalversammlung, Dr. László Kövér, betonte in seinem Impulsreferat, dass die Europäische Union einst als Projekt für Frieden und Wohlstand geschaffen worden sei. Doch während die westlichen Länder nach und nach die Europäische Gemeinschaft gestaltet hätten, habe Ungarn lange zuschauen müssen. Nach 1990 habe das Land einen weiteren Nachteil erfahren, als viele junge Menschen weggegangen seien. Aufgrund dieser Situation habe Kövér heute große Erwartungen an die Europäische Union. Nötig sei eine Reform der Europäischen Verträge.
Das Forum Mitteleuropa helfe dabei, gutnachbarschaftliche Beziehungen zu fördern, erklärte Prof. Dr. Jirí Drahos, Erster Vizepräsident des Senats des Parlaments der Tschechischen Republik. Die drängendsten Probleme in Europa sehe er bei der äußeren Sicherheit, Fragen der Energieversorgung sowie dem Umgang mit Kriegsflüchtlingen. Drahoš würdigte die Zusammenarbeit Sachsens und Tschechiens im Bereich der Wasserstofftechnologie. Dies werde die gesamte mitteleuropäische Region stärken. Über den Krieg Russlands gegen die Ukraine bemerkte Drahoš, dass eine Appeasementpolitik nicht erfolgreich sein werde. Stattdessen wolle das Regime von Präsident Putin nicht nur die Ukraine bekämpfen, sondern auch andere europäische Länder destabilisieren.
Marek Krzakała, Vorsitzender der Polnisch-Deutschen Parlamentariergruppe im polnischen Sejm, erinnerte in seinem Eingangsstatement zunächst an die polnischen Parlamentswahlen im Jahre 2023. Die Strategie der alten PiS-Regierung, mit einem europa- und deutschlandfeindlichen Kurs erfolgreich zu sein, sei nicht aufgegangen. Im gegenwärtigen Ukrainekrieg dürfe nicht vergessen werden, dass Russland der Aggressor und die Ukraine das Opfer sei. Als Lehre daraus müsse die militärische Zusammenarbeit in der EU vertieft werden. Die Unterstützung für die Ukraine sei alternativlos.
In der anschließenden Podiumsdiskussion ergriff zuerst Prof. Dr. Jirí Drahos das Wort. Er sehe, dass die Perspektiven auf den Krieg in der EU unterschiedlich seien. Doch gerade Ungarn habe keine Lehre aus der einstigen russischen Hegemonie in Ost- und Mitteleuropa gezogen. Ungarns Parlamentspräsident Dr. László Kövér hielt dagegen. Sein Land habe nicht nur Lehren aus der kommunistischen, sondern auch aus der westlichen Herrschaft nach 1990 gezogen. Mit Russland müsse man zusammenleben, so gut es möglich sei. Wladimir Putin mache keinen Schritt zurück, betonte hingegen Marek Krzakała. Wenn die Ukraine verliere, dann seien die angrenzenden Länder die nächsten. Für seine eigene Sicherheit sehe Polen seine Chance nur in den Strukturen der EU und der NATO.
Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Mit einem Vortrag zu den mitteleuropäischen Interessen eröffnete Prof. Dr. Zoltán Tibor Pállinger, Rektor der Andrássy Universität Budapest, die zweite Hälfte des Konferenztages. Mitteleuropa sei ein zentraler Bezugspunkt für Ungarn. Dies sei nicht nur kulturell und historisch gewachsen, sondern stehe auch auf dem Fundament gemeinsamer Interessen. Sie lägen unter anderem in der Absicherung der Rechte von Kleinstaaten, der nationalen Souveränität, der wirtschaftlichen Entwicklung sowie in der Grenzsicherheit. Die mitteleuropäischen Staaten hätten dann weiterhin Erfolg, wenn sie in diesem Rahmen zusammenarbeiten würden.
Prof. Dr. Jirí Pehe von der New York University in Prag akzentuierte etwas anders. Er sagte, dass Mitteleuropa als Konzept nicht gerade verständlich sei. Die Interessen und die gemeinsame Geschichte wären schwächer als die Unterschiede. Die frühere Aufgabe der Visegrád-Gruppe war es einmal, die Länder Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn auf den EU-Beitritt vorzubereiten. Aktuell lägen die Länder bei vielen großen Themen jedoch weit auseinander. Oliver Schenk, Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Medien und Chef der Sächsischen Staatskanzlei, forderte in der anschließenden Podiumsdiskussion aber genau das ein. Die Länder Mitteleuropas müssten ihre Interessen stark machen, um erfolgreich zu sein. Dr. Kai-Olaf Lang von der Stiftung Wissenschaft und Politik suchte nach wissenschaftlichen Erklärungen: Mitteleuropa bewegten Gemeinsamkeiten und Ambivalenzen gleichermaßen. Länder wie Ungarn wollten nicht länger das Muster des Westens übernehmen, sondern ihre eigenen Profile stärken.
Die Konferenz des Forums Mitteleuropa endete mit einem differenzierten Lagebild. Einerseits kann und will kein Land auf die Chancen verzichten, die sich durch die Europäische Union ergeben. Zugleich wünschen sie sich, mit ihren eigenen Belangen in Brüssel ausreichend gehört zu werden. Der Schlüssel zum Erfolg wird es auch zukünftig sein, miteinander im Gespräch zu bleiben.
Heft 13 der Schriftenreihe FORUM dokumentiert die Konferenz "Mitteleuropäische Perspektiven vor den Europawahlen" am 9. April 2024 in Dresden. Es kann unter publikationen@slt.sachsen.de als Druckversion bestellt werden.
The conference of the Central European Forum 2024 took place on 9 April in the Saxon State Parliament in Dresden. It was held under the motto "Central European perspectives before the European elections".
The 2023 Prague conference on “Economic and Social Stability in Central Europe” put a strong focus on the prospective economic and social consequences of the “Zeitenwende” in Central Europe. This was both a continuation of the discussion that had begun in Vilnius in 2022, as well as a thematic link to the priorities set by the Czech EU Council Presidency (including the war in Ukraine, sanctions and the energy crisis).
In early June 2024, for the tenth time, the citizens of the European Union will be called upon to elect a European Parliament. The election comes amid challenging circumstances. Externally, there is the Russian war of aggression against Ukraine with all its ensuing consequences for Europe. There are also multiple other crises, whereby the conflict in the Middle East plays a special role. In addition, the global competition between systems is shaking up the international order while the EU is still trying to find its own strategic position. Internally, the EU continues to grapple with the fallout of the corona pandemic, the coordination of migration policies, determining the nature and scope of EU climate policy and how to shape our digital future - also within the context of global competition. The conference sought to explore both the common and the divergent perspectives and interests of Central European countries with respect to these issues ahead of the 2024 European elections.
The European Union and its citizens are facing a pivotal election in 2024. The European Parliament plays a crucial role in determining the EU’s annual budget, it’s international treaties and electing the President of the European Commission. A panel discussion with high-ranking politicians from the countries of Central Europe focused on the expectations Central Europe has towards the EU, but also on the expectations that Europe and the European Union have towards Central Europe.
The recent political shifts in Poland and Slovakia following their 2023 parliamentary elections have further shifted the balance within the Visegrád Group. In particular, Poland’s realignment of its European policy is significant for Central Europe’s positioning and relevance within Europe. The panel discussion with high-ranking experts from Central Europe focused on the future role of the Central European states and their interests in Europe.