Konferenz "Kulturen in Mitteleuropa: Erinnern, Fördern, Gestalten" (2012) in Dresden

Datum 08.10.2012 bis 09.10.2012

Podiumsdiskussion 1 auf der Konferenz

Das Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag ist mit einer international besetzten Konferenz in eine neue Phase gestartet: am 8. und 9. Oktober 2012 fand im Dresdner Ständehaus eine vielschichtige Aussprache zum Thema „Kulturen in Mitteleuropa: Erinnern, Fördern, Gestalten“ statt.

"Mitteleuropa kann uns helfen!"

Nachdem der Präsident und Schirmherr der Veranstaltung, Dr. Matthias Rößler, Inhalt und Ablauf der zweitägigen Konferenz beschrieben hatte, konzentrierten sich die gut 80 Teilnehmer und Gäste auf die Gedanken des österreichischen Autors, Dr. Martin Pollack. In seinem Grundsatzreferat „Wozu Kultur? Die Rolle der Kultur in Mitteleuropa“ schilderte er eine sehr persönliche Geschichte, die belegte, dass Geschichte und die mit ihr verbundene Kultur in Europa weder vor ethnischen Unterschieden, noch vor gezogenen Grenzen, oder gar vor Familienbanden halt macht. In der sich anschließenden Aussprache der Kuratoren mit verschiedenen Impulsreferaten gelang es dem Moderator, Mirko Schwanitz, das Thema gegenständlich und allgemein fassbar werden zu lassen.

Im ersten von drei Panels diskutierte der ehemalige Außenminister der DDR, Markus Meckel, zusammen mit der Leiterin des Instituts für slawisch-germanische Studien an der Universität in Usti, Dr. Kristina Kaiserová, dem polnischen Direktor des Sekretariats Europäisches Netzwerk, Rafal Rogulski, und dem Leipziger Direktor des zeitgeschichtlichen Forums, Professor Dr. Rainer Eckert, die „Medien bürgerschaftlicher Erinnerung: Denkmal, Museum, Ausstellung“. Kultur, so einer der Kuratoren, sei identitätsstiftend. Sie finde auf den Gängen der Museen und Ausstellungen statt. Dort gebe es Kuchen – staatlich subventionierten Kuchen, nämlich.

Im zweiten Panel diskutierten der Görlitzer Professor Matthias Theodor Vogt, die Direktorin des Technischen Museums in Wien, Gabriele Zuna-Kratky, der Generaldirektor des Museum der Bildenden Künste in Budapest, László Baán, und der Direktor des Dresdner Grünen Gewölbes, Professor Dr. Dirk Syndram, darüber, inwieweit beim Thema Hochkultur von „Privilegien“, respektive „Gralshüter“ die Rede sein könne. Hochkultur sei (in den Museen) affirmativ, nicht ideologisch und im Wesen auch einfach. Deshalb sei die Frage, ob es denn in Mitteleuropa überhaupt möglich wäre, einen gemeinsamen und allgemein gültigen Kanon kultureller Werte zu schaffen. Das sei in der Sache nicht notwendigerweise von Übel – der Versuch einer Gleichschaltung schon. Das Paradox habe System, denn stetig gekürzte Mittel führten zu dem Vorwurf, dass mit eben jenen begrenzten Mitteln keine professionelle Arbeit geleistet werden könne. Dieser Vorwurf wiederum diene als Argument für neuerliche Kürzungen. Das Schlusswort formulierten die Diskutanten eher trotzig: „Wir stecken uns unsere Ziel selbst. Was nicht funktioniert, ist, dass die Politiker uns vorschreiben, was wir tun und was wir gut finden sollen!“

Der zweite Tag begann mit einem ganz besonderen Mann des öffentlichen Lebens: Der ehemalige Botschafter der Tschechoslowakei und später Tschechiens in Deutschland Frantisek Cerny überraschte vor seinem geplanten Impulsreferat mit seiner Ankündigung, von ihm seien keine Impulse zu erwarten. Trotz einer starken Erkältung referierte er anschließend fast 30 Minuten über das Verhältnis seines Landes zu Deutschland. Da sei – vor allem im Bereich der Kunst – viel zusammengewachsen und Normalität geworden: „Es gibt mittlerweile viele Deutsche, die tschechische Kunst und Kultur subventionieren“. Cerny mahnt allgemein mehr Bewegung bei den Menschen an: „Wir reden über Mitteleuropa und sitzen in Deutschland. In unseren Ländern reden wir darüber nicht.“ Am Ende wirft er scheinbar ganz nebenbei einen Satz in die Runde, der lange haften bleibt: „Wenn die Identität eines Volkes zu stabil ist, stimmt etwas nicht!“ Bei zu viel Konzentration auf die eigene Größe und Stärke verlöre man ganz leicht die Achtung vor der Leistung anderer Völker.

Das letzte Panel widmete sich den Kreativen, den Grenzgängern. Gekommen waren die Direktorin des Collegium Bohemicum in Usti, Blanka Mouralová, Michal Hvorecky, Schriftsteller und Autor aus Bratislava, der Direktor des Projekts „Pécs 2010“, Tamás Szalay, und Bernd Janning aus Wien (Institut für den Donauraum und Mitteleuropa. Die MDR-Figaro Moderatorin Rachel Gehlhoff ließ Raum für eine umfassende Vorstellung und die Erklärung, warum Kulturschaffende mehr Raum und Beachtung bekommen sollten: „Wir kämpfen nicht um Subventionen, wir kämpfen für Gerechtigkeit!“

Es gäbe keine Alternativen zum Dialog. Wenn man zuließe, das Sprachbarrieren konsolidiert würden, seien Gespräche immer weniger möglich. In Tschechien beispielsweise könne man zwar über tschechische Landesidentität sprechen, nicht aber über böhmische. Landesgrenzen seien in Europa längst durchlässig, die Bürgergesellschaft wachse und festige sich wieder. Und gerade deshalb sei die Unterstützung dieses Wachstums unverzichtbar und die Förderung weiterer Impulse.

Die am Ende der Konferenz vorgetragenen Ergebnisse der Workshops vom Nachmittag machten Mut, das einmal Begonnene weiterzuführen: „Die Kärrnerarbeit beim Forum Mitteleuropa ist noch nicht zu Ende, zeitigt aber bereits jetzt hoffnungsvolle Ansätze." Landtagspräsident Rößler und Professor Kühnhardt (Europäische Integrationsforschung der Universität Bonn) verstärkten diesen Eindruck der Studenten: „Wir dürfen nicht locker lassen im Bestreben, Mitteleuropa als unsere Heimat und als Wertegemeinschaft zu definieren und zu gestalten!“

Dokumentation der Konferenz

Die Konferenz "Kulturen in Mitteleuropa: Erinnern, Fördern, Gestalten", die am 8./9. Oktober 2012 im Ständehaus in Dresden stattfand, ist in Heft 3 der FORUM-Reihe dokumentiert worden. Das Heft ist in deutscher Sprache erhältlich. Es kann unter publikation@slt.sachsen.de auch als Druckversion bestellt werden.